Montag, 12. April 2010

Eine Wachtel auf Reisen

Kurz nachdem man am letzten Maulwurfshügel von Taupignac (297 Einwohner, 62 m über dem Meer) vorbeigefahren ist, genießt man die Aussicht auf die breite Tiefebene vor Breulliet mit ihren Sonnenblumenfeldern, die sich bis zum Horizont erstrecken. Am Ortseingang von Breuilliet (697 Einwohner, 82 m über dem Meer) empfängt einen dann eine pädagogisch gemeinte Schwelle, die sich quer über die Distriktsstraße zieht und die den Autofahrer zur Verlangsamung zwingen oder ihn dann nachträglich neue Stoßdämpfer anschaffen lassen soll.
Breuilliet beherbergt immerhin 7 Handwerksbetriebe, eine Kirche, ein Café und die örtliche Viel-zweckhalle, in der sich bis zu 300 Personen zum jährlichen Lotto des Heimatvereins treffen können.
 
Und genau neben dieser Halle, in einem eher unscheinbaren Haus, leuchten plötzlich ortsuntypisch große Fensterscheiben und ein Transparent: „L‘Aquarelle“. Was zum Teufel hat Xavier Taffart bewogen, sich hier anzusiedeln? Wir werden es nie erfahren, denn er bleibt in der Küche und lässt sich auf ein Gespräch mit den Gästen nicht ein. Vielleicht ist es ja sein Elternhaus, und, falls er es gekauft hat, war es sicherlich günstig. Etwa 40 Plätze hat das Lokal, und obwohl es erst 2009 eröffnet worden ist, wird es schon im Michelin und im Gault Millau erwähnt, hat also eine 100%ige Abdeckung bei den maßgeblichen Feinschmecker-Bibeln erreicht. Zum Aperitif gibt es für die Damen einen Pineau de Charente aus der Region, also mit Cognac veredelten Traubensaft, süßlich und kräftig. Wer so eigenwillig ist, 1000 km vom nächsten Sudkessel entfernt hier ein Bier bestellen zu wollen, bekommt ein winziges Glasfläschchen im Puppenformat von 0,25 l, aus Belgien gebürtig, immerhin schön kalt.
 
Während wir noch über das tiefbraune und mit kräftigem Grün gedoppelte Erdfarben-Dekor des Raumes nachdenken, serviert die Dame des Hauses bereits einen Gruß aus der Küche, den man an so abgelegener Stelle vielleicht nicht erwartet hätte: drei Schälchen, mit einem Schaum aus Krabbeneiern, mit einem gebackenen Gemisch von Soja und Vanille und ein winziges Stück Mousse von der Kichererbse, arabisch gewürzt. Um die Auswahl der eher kurz gehaltenen Speisekarte zu erleichtern, wird später noch ein Süppchen – Topinambur mit Trüffelöl – in einer futuristisch geformten Glasschale serviert.
Für nur 36 € bestelle ich ein Menu, das mit einem kleinen Turm aus Hasenschinken beginnt. Er steht senkrecht auf dem Teller und wird von allerlei Gewürztröpfchen umgeben, die mit winzigen tournierten Gemüsestückchen verziert werden. Das schmeckt herzhaft, aromatisch, sättigt nur ein wenig und lockt die Zunge, die sich mehr davon wünscht.
Während uns ein Glas kräftiger Clairet aus Bordeaux eingeschenkt wird, kann ich die zweite Vorspeise zumindest besichtigen: ein kanadischer Hummer, in drei unterschiedlichen Verfahren gegart, wird auf einer relativ großen Platte serviert, wenn man die eher zarten Ausmaße der einzelnen Portionen berücksichtigt. Einmal gebraten, einmal gegart und einmal im Schlafrock, so könnte man es vereinfacht sagen und würde damit der Koch- und insbesondere der Dekorationskunst des Meisters nicht gerecht. Es ist die richtige Vorspeise für jemanden, der „Fisch satt“ haben möchte, denn sonst würde die nachfolgende Lotte (Seeteufel, Anglerfisch) im Safransud nicht mehr passen. Auch sie richtet sich steil auf dem Teller auf, aber trotz dieser vorgetäuschten Härte zergeht sie auf der Zunge und hinterlässt ein erdiges, ein wenig märchenhaftes Erlebnis auf der Zunge.

 
Ein deutlicher Geruch von geräuchertem Kiefernholz zieht vom Nachbartisch herüber, wo ein Kalbstatar mit Stockfischeis (!) in einer Rauchwolke serviert wird - und der Rauch ist echt. Es dürfte schon einiges Geschick dazugehören, ihn unter die gläserne Cloche zu praktizieren, die von der Kellnerin erst leicht angehoben und dann triumphierend umher geschwungen wird, um den Duft zu verteilen.
Inzwischen kommt auch meine Wachtel angereist. Auf der Speisekarte ist sie als „Caille Voyageuse“ angekündigt, und dieser etwas ungewöhnliche Titel des Gerichts spiegelt sich in seiner befremdlichen Erscheinung. Serviert wird nämlich ein großes Luftpostkuvert auf einem flachen Teller. Das Kuvert scheint irgendwie gefüllt zu sein. Man muss nicht lange darüber nachdenken, was es enthält, denn schon kommt die Chefin mit der großen Schere, schneidet es an einer kurzen Seite auf und drückt sanft die ganze entbeinte Wachtel heraus, die in diesem Kuvert zusammen mit exotischen Früchten gegart worden ist. Keine Angst, auch eine ganze Wachtel macht noch keine übergroße Portion aus und trotzdem würde ein einfaches Luftpostporto für diesen Brief wohl nicht reichen.

 
Das Kuvert entpuppt sich bei näherem Ansehen als innen mit einem Plastikbeutel ausgefüttert, und die Wachtel als eines der delikatesten Vögelchen, das ich je versuchen durfte. Vielleicht ist es die besondere Art Fernweh, die einen nur anfallen kann, wenn man in der tiefsten Provinz festgenagelt sitzt und nicht mehr wegkommt von einem solchen Flecken mit seinen 697 Einwohnern, von denen die Hälfte in Rente ist und die andere Hälfte verwandt. Wir jedenfalls waren begeistert und hatten überhaupt keine Mühe, eine Flasche Chateau Maison Neuf aus dem nahegelegenen Gebiet von Blaye(Bordeaux)zu genießen, die dort beim Weingut wahrscheinlich für 5 oder 7 € erhältlich ist und jeden badischen Rotwein mit Leichtigkeit aussticht, der zum doppelten oder dreifachen Preis verkauft werden soll.
Nach so viel Ungewöhnlichem kann es nicht normal weitergehen. Bei diesem Menu hat man, obwohl es nur 36 € gekostet hat, nicht die Wahl zwischen Dessert oder Käse, sondern es wird beides serviert. Ich erlaube mir ein Stückchen Ziegenkäse, ein wenig Reblochon und ein Stückchen Roquefort, um dann mit banger Erwartung dem eigentlich Nachtisch entgegenzusehen.
Bange Erwartung? Nun, man hatte uns eine Kartoffelsuppe angekündigt, in der ein Stückchen exotisches Eis schwimmen würde. So war es dann auch, und niemand wird es uns übel nehmen, wenn wir nach all den lobenden Worten uns jetzt die Anmerkung erlauben, dass die Kartoffelsuppe eben (ein bisschen) nach Kartoffeln geschmeckt hat und das Eis eben nach exotischen Früchten, Beides zusammen aber eher weniger. Man muss ja auch mal etwas Neues probieren dürfen! Da hat uns das Rote-Beete-Eis mit Zitrone schon besser gefallen, obwohl es sicherlich genauso ungewöhnlich war und im Übrigen eine enorme Färbekraft auch auf neutral gehaltenen Hemden aufweist...
Sicherlich ist Kochen nicht gerade eine junge Kunst, denn gegessen wird schon immer. Aber es ist doch immer wieder eine schöne Überraschung, wenn uns eine ungewöhnliche Küche mit intensiven Geschmackserlebnissen überzeugen kann - selbst wenn sie an einem Ort steht, den man auf einer größeren Landkarte gar nicht erst zu suchen braucht!
Der Umweg lohnt sich!

Samstag, 10. April 2010

Business Angels gesucht

Business Angels sind Menschen mit Erfahrung als Unternehmer (Bild: Falk Straschek, München) oder Topmanager, die junge Unternehmen unterstützen: durch Ideen, Kontakte, Diskussionen, Netzwerke und Finanzierung. Ihre Motivation ist oft zweigeteilt: Es macht ihnen Freude, Ideen zu entwickeln und Wachstum zu fördern, und manche hoffen natürlich auch, mit ihrem Investment etwas zu verdienen.
Investitionen in junge Unternehmen sind allerdings keine „sichere“ Anlage. Business Angel sollte nur werden, wer weiß, was er tut. Ein Business Angel muss einen Verlust genauso gut verkraften können wie einen Gewinn. Viele Business Angels versuchen sogar, ganz bewusst mehrere Investments parallel zu fahren, damit sich Risiken und Chancen im Sinne der Portfolio-Theorie ausgleichen.
BAND, der Dachverband deutscher Business Angels, hat am 15. März das deutsche Business Angels Jahr 2010 gestartet (Bilder hier). Ziel des auf Einladung des bayerischen Wirtschaftsministers in München gefeierten Aktionsbeginns ist es,
• die Idee der Business Angels bekannter zu machen,
• mehr geeignete und
• qualifizierte Business Angels anzuwerben und
• jungen Unternehmen den Weg zu diesem Erfolgsmodell zu öffnen.
Als einer der vier Botschafter des Business Angels Year 2010 will ich diese Ziele unterstützen und möchte jeden Interessierten bitten, mitzumachen. Wir brauchen mehr Business Angels, wir brauchen mehr Arbeitsplätze, wir brauchen mehr Unternehmer, denn wir brauchen mehr Wachstum!
Dr.F.G.Hoepfner