Sonntag, 7. Juni 2009

Ein Paradies am Ende der Welt


Der Jardin de Biére in St.Just
Wenn man von der Mündung der Gironde an der französischen Atlantik-Küste über Royan zum geschichtsträchtigen Hafen Rochefort fährt, erlebt man die Weite eines Marschlandes, in der sich das nur 15 Kilometer entfernte Meer schon ein wenig ankündigt. Die Wolken ziehen hier schneller, die Brackwasser-Bassins werden häufiger, die Häuser niedriger. Die Gegend scheint dünn besiedelt und das Land kaum fruchtbar, vielleicht vom Salzwasser verdorben.
Einmal überquerte ich einen Fluss, fast ausgetrocknet von der Ebbe, ein kleiner Hafen, und bald darauf ein riesiger Möbel-Supermarkt, drei Hallen an einer einsamen Kreuzung. Aber ein Schild im Kreisverkehr weist nach Marennes, dem Weltzentrum der Austernproduktion, und Oléron, der Ferieninsel mit den romantischen Fischerdörfern. Folgt man dieser engen Straße, dann wird die Erde bald wieder fruchtbarer, Kornfelder statt Marschland, kleine Wäldchen am Weg, aber kein Mensch.

Vielleicht zehn Kilometer ging es so weiter, bis plötzlich ein Schild am Straßenrand auf die historische Kirche und gleich darauf ein zweites auf die „Zone des Activités“ (Industriegebiet) in St.Just-Luzac hinwies, einem Flecken von vielleicht 400 Menschen, die in überwiegend einfachen und oft auch älteren Behausungen lebten. Das Dorf verbirgt sich in vorsichtiger Entfernung zur Straße hinter Hecken und Hügeln; nur die Hunde hört man, die hier viel Auslauf zu genießen scheinen. Im menschenleeren, kleinen Industriegebiet vorn an der Durchgangsstraße findet man ein Baugeschäft, zwei (!) Frisöre, einen Bäcker, einen Metzger – und „Le Jardin de Biére“, wörtlich also einen Biergarten. In einer Wellblechhalle, die eher an eine Garage für Mammut-Fahrzeuge erinnert als an einen Garten, arbeitet Thomas Schmidt mit seinen und für seine Biere. Man mag es kaum glauben, aber mitten in der Einöde findet man ein exquisites Sortiment hochwertiger deutscher Biere. Von Paulaner gibt es nicht nur Weißbier, sondern besonders auch das kraftvoll-süßliche dunkle Salvator. Aus den Tiefen des Odenwaldes kommen das aromatische Bio-Pils und dazu noch der runde Rosé-Bock von Schmucker.

Aus der Residenz des Rechts hat Schmidt das himmlisch-herbe Hoepfner Pilsner geholt, sondern auch das eher würzige und mildere Goldköpfle und natürlich das schwarze Porter Bier, eine tiefdunkle und eher herbe Spezialität, quasi der Bordeaux unter den Bieren. Riegeler Neunlinden und mehrere Sorten Münchner Hacker gibt es in der traditionellen Bügelverschlussflasche, das eher trockene und hopfenbetonte Fürstenberg Pilsner im Fass, Hoepfner Goldköpfle in einem praktischen Kleinfass namens KEGGY und belgisches Leffe in einer kleinen Tonne, die in einem großen Kiste liegt, für das „Perfect Draft“ Zapfgerät.
Die Liebe hat den ehemaligen Siemens-Manager an diesen gottverlassenen Ort verschlagen. Es muss auch ein bisschen Liebe zum Bier dabei gewesen sein, denn sonst hätte ein solches Paradies am Ende der Welt nicht entstehen können. Ein Paradies für Bierfreunde, aber es gibt auch Wein: eine stattliche Sammlung Bordeaux in Magnum-Flaschen, Regionales aus der Charente, aus Blaye und von Oléron, und eine auffallend kräftig-gedrungene Spezialflasche von der Loire. Fast schon Medizin scheint dieses Cuvée aus Chenin Blanc und Sauvignon zu sein, wenn man der Verpackung glauben darf.


Von weit her kommen die Kunden, in Personen- und Lieferwagen, um sich hier etwas zu holen, was man sonst höchstens in Bordeaux oder eher noch in Paris bekommen könnte. Zum Probieren gibt es alles auch Flaschenweise, und ein Schwätzchen muss sein. Ein Genuss, dem Herrn des Gartens zuzuhören, wie er die Geschmacksnuancen der verschiedenen Sorten darstellt und für jeden Kunden etwas Besonderes hat, vielleicht sogar einen Tonkrug als Gratiszugabe oder ein Fläschchen handgemachten bretonischen Cidre zum Probieren.
In einem Jahr will er sich mit einem Neubau vergrößern, um der wachsenden Nachfrage gerecht zu werden. Dann kann das charmante Bier-Paradies auch optisch noch etwas aufgewertet werden. Vielleicht werden dann auch Wallfahrten in die Hochburg der Braukunst, zur Donauquelle oder zum Oktoberfest organisiert? Bilder mit den Zielen attraktiver Bier-Reisen hängen schon an der Wand. Nur die Konzession zum Ausschank fehlt noch, dann ist der Biergarten perfekt!

Adresse :
12, avenue des Vignes
17320 Saint Just Luzac
Téléphone : 05 46 85 48 71, Fax : 05 46 36 60 77
Email : lejardindebiere@wanadoo.fr