Sonntag, 17. Februar 2008

Gut getropft


Gut getropft
Nicht nur in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung war es zu lesen: ein Werk des Amerikaners Jackson Pollock, mit dem schönen Titel „Number 5“, wurde verkauft. Generell muss man sich immer freuen, wenn heutzutage ein Künstler ein Bild verkauft, aber es ist nicht unbedingt eine Zeitungsmeldung wert. In diesem Falle aber gibt es drei Besonderheiten: Das Bild ist von 1948, es wurde in der charakteristischen Technik dieses Künstlers getröpfelt und nicht gemalt, und es erzielte einen Verkaufspreis von 139 Mio. Dollar. Damit ist es zum teuersten Bild der Welt geworden. Stümper wir Picasso oder van Gogh erzielen mühsam 100 Millionen und nicht mehr. Während sich nun viele Menschen fragen werden, ob man den Preis des Bildes vielleicht durch die Vielzahl der verwendeten Farben und Materialien, durch seine Größe oder seinen Isolationswert bei Außenwand-Aufhängung erklären kann, würde ich gerne eine ganz andere, für mich nahe liegende Überlegung anstellen.
Ich möchte sie allerdings nicht mit der Frage beschäftigen, wie viel denn ein frisches, noch nach Farbe appetitlich duftendes Bild wert sein könnte, wenn ein altes und schon gebrauchtes Bild bereits 139 Millionen erzielt. Auch vermeide ich jede Überlegung, mit welchen Methoden denn der Käufer so viel Geld verdient hat, dass er ganz nebenbei 139 Millionen für ein Bild ausgeben kann. Wie viel wird dann wohl die Wand kosten, an der es hängen soll, oder die Wohnung, die es verschönern wird? Welche Alarmanlage bekommt man zum Bild dazu geschenkt? Wie wird das Hauspersonal fürs Abstauben trainiert? Muss die Katze der dritten Ehefrau des neuen Eigentümers einen Anti-Agressionskurs machen, bevor es aufgehängt werden darf?


Nein, als Bierbrauer und somit Vertreter einer durch die EU-Kommission gefährdeten Zunft frage ich mich, wie es kommen konnte, dass die Kompetenz zum Tropfen nun auch nach den USA ausgewandert ist, nachdem sich dort schon die größte Brauerei, der stärkste Bodybuilder und das authentischste Schwarzwälder Bauernhaus befinden. Tropfen ist nun wirklich eine Tätigkeit, für die der deutsche Bierbrauer schon durch seine Ausbildung in hunderten von Bierproben extrem gut qualifiziert ist! Warum lassen wir uns die Tropfen vom Glas nehmen, noch dazu von einem Mann, der sein Leben lang auf dem unhygienischen Fußboden gearbeitet hat?

Wir sind es gewohnt, mit unseren Tropfen sorgfältiger umzugehen, und wer einmal die Privatbrauerei Hoepfner besichtigt hat, der weiß, was Hygiene heißt. Die besondere Tropfkonsequenz deutscher Braumeister zeigt sich zum Beispiel beim Zapfen am Tresen, aber auch bei der Arbeit im Sudhaus, Gärkeller, bei der Lagerung, Filtration und Abfüllung. Schon allein wegen der Biersteuer darf da kein Tropfen verloren gehen!
Durch die Verwendung von Qualitätsmalzen erhält Bier eine superbe Oberflächenspannung. Die Fo-tos zeigen, dass dadurch jeder Tropfen sich zusammenzieht wie ein Igel, der von spielenden Kampfhunden aufgestöbert worden ist. So kann der Braumeister ihn bequem mit dem Kehrblech aufnehmen und wieder ins Fass schütten, wo er hingehört (der Tropfen, nicht der Igel).
Zurück zur Tropfkunst. Durch die Verwendung runder Hopfenpresslinge können unsere Braumeister auch die Form vieler Tropfen und ihren Abstand auf dem Untergrund steuern. Dadurch kann man sie leicht zählen und hat somit einen wissenschaftlich fundierte Grundlage für die zukünftige Preisbestimmung von Tropfen-Gemälden. Die Marktforschung beweist ja auch, dass die Konsumenten eine klare, nachrechenbare Preisfindungsmethodik vorziehen. Tropfkunst dient in unserer Branche auch dem Umweltschutz. Während Tropfbier früher einfach weggegossen wurde, kann es jetzt als Kunst wiederverwertet werden. Dasselbe gilt für altes Bier, das ebenfalls musischen Charakter erhält und nun die Basis eines neuen Wohlstandes der gebeutelten Branche bilden wird.
Wenn wir schon vom Geld sprechen, sollten wir allerdings auch erwähnen, dass nun nicht jede Tropfensammlung einfach für Millionen verkauft werden kann. Dazu bedarf es vielmehr einer Intensivstrategie, deren Implementation durch Aufsichts- Bei- und Familienräte der führenden deutschen Brauereien gemeinsam am 11.11. abgesegnet werden soll.

Die Marketingexperten der Brauereien werden dabei ganz schön umdenken müssen, denn die üblichen Methoden ziehen nicht mehr. Mit einer Glaszugabe werden sie keinen Kunstmäzen hinterm Ofen vorlocken, und ein Probeausschank von Tropfbier ginge an die Substanz. Auch der übliche Verkauf zum halben Preis wird nicht funktionieren, da man 139 Millionen nicht durch zwei teilen kann. Nebenher wird man noch den Kunstfachhandel besänftigen müssen, der wegen der Verwendung von Einweg-Tropfen protestiert, und die dekorative Verpackung der Tropfen in selbststrahlende Glaspaletten vorbereiten.
Es bleibt noch offen, ob für das Projekt ein Spezialist in der internationalen Selbstvermarktung engagiert werden soll. Gerhard Schröder hat bereits wissen lassen, dass er sich nicht aufdrängen will, aber er könnte ja mal mit ein paar alten Kumpels über eine Tropfbierpipeline nach Russland reden. Vielleicht bitten wir lieber Conrad Seidl?


Die Zukunft gehört den Ideen. Echte Innovation, bisher eher ein Fremdwort in der Bierbranche, kann den Deutschen Brauern neue Welten eröffnen. Internationale Auktionen statt Eckkneipen, New York statt Neustadt an der Aich, Interviews in der Frankfurter Allgemeinen und dem San Francisco Examiner statt Anzeigen im Sperrmüll – das wird ein mondänes Leben! Darauf trinken wir einen und lassen dabei einen kleinen Schluck im Glas. Dieses wird abgeräumt und bildet den Grundstock für unsere Sammlung kulturell wertvollen Tropfbiers, nach dem Reinheitsgebot hergestellt.

Übrigens, wir machen ein Einführungsangebot. Wer zwei Tropfenbilder kauft, bekommt ein Drittes gratis dazu. Und natürlich noch einen Kasten Pils!



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